"Auf der Haut" erzählt Geschichten vom Herstellen von Textilien, vom Handel mit ihnen und vom Tragen der Kleider. Eingewoben sind fünf A-cappella-Stücke, deren Geschichte sich jeweils von einem konkreten Stück Stoff als Ausgangspunkt entspinnt.
Richter Agnes Emma
Ohne Titel [Selbstgenähtes, mit autobiographischen und anderen Texten besticktes Jäckchen]
Um 1895
Garne auf Anstaltsleinen und Wollstoff
Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg
Inv. Nr.00743
Die zarte Poesie, die uns in Schwarzseiden berührt und doch auch rätseln lässt, basiert auf den Worten mit denen Agnes Richter ein selbstgenähtes Jäckchen bestickt hat, das mittlerweile in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg aufbewahrt wird. Wie weitere andere Wäsche und Kleidungsstücke beschreibt Agnes Richter das Jäckchen mit ihren Erinnerungen, während sie als Patientin in der Anstalt Hubertusburg untergebracht ist. Auch wenn vieles von dem, was sie sich auf den Leib schreibt, indem sie ihr Jäckchen mit Worten bestickt, sich nicht entschlüsseln lässt, ist deutlich die Stimme einer Person zu vernehmen, die sagt, wer sie ist und was ihr widerfahren ist.
Von der Geschichte hinter einem Kleidungsstück, das uns in unzähligen Varianten vertraut ist, erzählt Glitter. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird in Nordamerika Gold gefunden. Eine unglaubliche Aufbruchsstimmung lässt Tausende dort ihr Glück versuchen. Der aus Lettland stammende Jacob Youphes entwickelt in Kalifornien eine Hose, die auch den besonderen Anforderungen der Goldgräber gewachsen ist. Da ihm alleine die Mittel dafür fehlen, meldet er gemeinsam mit dem aus Bayern eingewanderten Löb Strauss dafür ein Patent an. Die Blue Jeans ist erfunden. Mittlerweile ist aus der Arbeitshose ein modisches Kleidungsstück für den Alltag geworden. Der verführerisch funkelnde Goldstaubscheint aber immer noch an ihr zu haften. Spätestens wenn wir unseren Blick auf die Produktionsbedingungen von fast fashion richten, können wir dessen Glitzern immer noch wahrnehmen.
Levi’s® 501® Jeans
Um 1879
Levi Strauss & Co. Archives, San Francisco
Zwei einem Brief eines Genfer Händlers beigelegte Muster indischer Baumwollstoffe möglicherweise für den afrikanischen oder amerikanischen Markt bestimmt
1785
Sammlung Schweizerisches Nationalmuseum, Château de Prangins
ObjektLM-81809.4
An einer kleinen Probe gestreiften Stoffs, die 1785 einem Brief beigelegt wurde, lässt sich nicht nur ablesen, wie lange schon Textilien Ware in einem globalisierten Handel sind. Auch welche Strukturen von Macht und Ausbeutung diesen erst möglich werden liessen, wird sichtbar – wie etwa das System des Dreieckshandels. Weisser Kragen schildert die privilegierte Situation eines Händlers und Financiers einer solchen Handelsexpedition deren Grundlage Leid und Mühen zahlloser und namenlos gebliebener Menschen sind.
Eine doppelte Lebensbedrohung bündelt sich in einem paar Strümpfe in Sztrikierynka. In einem für sie lebensgefährlichen Akt des Widerstands wurden von Frauen, die in der Textilproduktion im Konzentrationslager Ravensbrück gezwungen waren, Strümpfe für die Wehrmacht zu produzieren, Fehler in deren Fersen gestrickt. Diese sollten dafür sorgen, dass die Soldaten im Kriegseinsatz Blasen an den Füssen bekommen. Der Text nimmt Bezug auf ein Gedicht von Elżbieta Popowska, einer der Frauen, die als Häftling des Konzentrationslagers in Zwangsarbeit stricken mussten.
Unbekannt (zwischen 1939 und 1945)
Socken
Wolle
Frihedsmuseet København | Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Mädchenkleid, 1870-80
Baumwolle, Maschinenstickerei
Sammlung Textilmuseum, Inv. 48441
Foto: Jakob Ineichen
Basierend auf eine Szene in Elisabeth Gerters Roman "Die Sticker" kommt in Zwanzig Stich zum Klingen, wie stark die Blüte der Textilproduktion in der Ostschweiz das Leben der Menschen in der Region geprägt hat. Eine ganze Familie ist in die Produktion des kostbaren Stoffs für ein festliches Kleid eingebunden. Die Herstellung des Stoffs ist Grundlage ihres Lebensunterhalts und damit die Arbeit an der Handstickmaschine das Zentrum um das sich ihr tägliches Leben organisiert.